Den Tinnitus überlisten

28

Jan 2019

Unsere Tinnitus-Spezialistin Uschi Straßl beantwortet die wichtigsten Fragen Es pfeift, klingelt, summt oder brummt immer wieder im Ohr ohne erkennbare Ursache – dann ist schnell die Rede von Tinnitus. Allein in Deutschland leiden mehr als drei Millionen Menschen am chronischen Ohrgeräusch. Der Tinnitus selbst ist zwar ungefährlich, dafür ist der Leidensdruck der Betroffenen in der Regel umso höher. Im schlimmsten Fall kann es zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der Lebensqualität und der Leistungsfähigkeit kommen. Im Schnitt tritt der Tinnitus erstmals zwischen 40 und 50 Jahren auf. Immer häufiger finden sich aufgrund lärmintensiver Freizeitaktivitäten auch deutlich jüngere Patienten. Uschi Straßl, Tinnitus-Beraterin und langjährige Mitarbeiterin bei Hilkenbach Hörwelten, verrät im Interview, was ein Tinnitus genau ist, welche Ursachen es hierfür gibt und wie Hörgeräte Betroffenen helfen können.  

Frau Straßl, Tinnitus als Geräusche im Ohr kann niemand außer dem Betroffenen selbst hören. Ist Tinnitus nur Einbildung?

Nein, keinesfalls. Tinnitus ist ein ernst zu nehmendes Thema. Es ist eine Fehlschaltung zwischen Nervenzellen, Hörnerv und Innenohr und kann – je nach Intensität und Dauer – durchaus krank machen. Rund 80 Prozent der Betroffenen empfinden einen Ton zwischen 1.000 und 8.000 Hertz. Da das Ohrgeräusch aber auch als Rauschen oder Zischen wahrgenommen wird, sind durchaus mehrere Frequenzen gleichzeitig beteiligt. Die Töne oder Geräusche können in Lautstärke, Tonhöhe und Art stark variieren.

Die Anzahl der Tinnitus-Betroffenen nimmt zu. Was sind die Ursachen hierfür und was sollten Betroffene im Akut-Fall tun?

Die Ursachen sind ausgesprochen vielfältig. Von Muskelverspannungen im Kiefer- bis Halsbereich über Stress, Lärmbelästigung und psychischen Belastungen bis hin zu Hörminderungen. Meistens sind es mehrere Faktoren gleichzeitig, die einen Tinnitus auslösen. Je schneller Betroffene bei einem akut auftretenden Tinnitus reagieren, umso größer ist die Chance, dass er behandelt werden kann und wieder verschwindet. Als erstes sollten Betroffene deshalb einen HNO aufsuchen, der bei Bedarf weitere Behandlungen anordnet – wie etwa die Vorstellung beim Zahnarzt, Orthopäden oder Chiropraktiker. Da der häufigste Tinnitus ein Symptom einer Innenohrschädigung ist, wird der HNO-Arzt Betroffene in der Regel an den Hörakustiker verweisen.

Warum sind Tests so wichtig, die den genauen Bereich des Ohrgeräusches ermittelt?

Um eine zielgerichtete Behandlung erfolgen zu lassen, ist es wichtig, die Tinnitus-Frequenz zu ermitteln. Dies erfolgt entweder beim HNO-Arzt oder beim Akustiker. Da sich das Signal nicht objektiv messen lässt, wird der Ton durch ein „Tinnitus-Matching“ ermittelt. Dabei werden dem Betroffenen Töne vorgespielt, die er mit seinem Tinnitus vergleichen kann. Die dargebotene Tonhöhe variiert so lange, bis sie dem Ohrgeräusch entspricht.

Welche Behandlungen helfen gegen Tinnitus?

Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig. Grundsätzlich richten sie sich nach Art, Schwere und Beeinträchtigung der Betroffenen. Meist hat sich die Kombination verschiedener Behandlungsmethoden wie Verhaltenstherapien, medikamentösen Behandlungen, einer psychologischen Begleitung und akustischen Stimulationen bewährt. Jede Behandlung zielt darauf ab, das Ohrgeräusch nicht mehr so prägnant wahrzunehmen und damit einhergehend die Lebensqualität zu verbessern.

In welcher Weise kann Tinnitus-Betroffenen das Tragen von Hörgeräten helfen?

Da die häufigste Ursache des Tinnitus eine Innenohrschädigung ist, bietet das Tragen von Hörsystemen die Möglichkeit, sich auf neue akustische Reize zu konzentrieren. Hörsysteme gleichen den Hörverlust aus. Das „neue Hören“ richtet die Aufmerksamkeit auf die akustische Umgebung. Wird also das störende Ohrgeräusch durch neue Töne, die durch das Tragen von Hörsystemen verarbeitet werden müssen, als weniger präsent empfunden, gelingt es recht häufig, den Tinnitus damit zu „überlisten“. In vielen Hörsystemen haben wir als Akustiker heute auch die Möglichkeit, durch ein gesondertes Programm ein Rauschen einzuspielen. Dies wird von Betroffenen meist als angenehmer empfunden als ein Dauerton und kann zeitweise vom Ohrgeräusch ablenken.